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Mitteilung vom 29. August 2010Von Peter Höver, Schleswig-Holstein am Sonntag:

shz: Finanzplan der Landesregierung. Griechische Verhältnisse.

Kiel (29. August 2010) Das druckfrische Werk ist 62 Seiten stark, sein Titel klingt mit "Finanzplan" bürokratisch nüchtern, sein Inhalt liest sich wie ein politischer Offenbarungseid.

Lob vom Gegner: Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) bekommt für seinen schonungslos offenen Finanzplan Anerkennung von Aloys Altmann (SPD), Präsident des Landesrechnungshofes. Die Botschaft von SPD-Mann Aloys Altmann scheint bei Kassenwart Rainer Wiegard (CDU) angekommen zu sein. Was Wiegard dem Parlament dieser Tage als Finanzplan zugeleitet hat, ist in der Beschreibung der Misere ohne Beispiel in der Landespolitik. "Verdienstvoll" nennt Altmann, Präsident des Landesrechnungshofes, die Ausarbeitung des Ministers.

Detailliert listet Wiegard auf, wie dramatisch Schleswig-Holstein das Wasser finanziell am Halse steht. Die Verschuldung des Landes am Kapitalmarkt, die Verbindlichkeiten der Kommunen und der Landesanteil an den Bundesschulden erreichten vor Jahresfrist mit zusammen 63,5 Milliarden Euro bereits 87 Prozent des schleswig-holsteinischen Bruttoinlandprodukts (BIP) von 73,3 Milliarden Euro.

38.000 Versorgungsempfänger bis 2020

Doch das ist – rechnerisch – längst nicht das ganze Elend. In den nächsten zehn Jahren wird die Zahl der Versorgungsempfänger um 35 Prozent auf knapp 38.000 steigen. Vorsorge dafür hat noch keine Landesregierung je getroffen. Bisher werden die Pensionäre aus laufenden Einnahmen bezahlt. Rechnet man deshalb die Verpflichtungen des Landes aus Versorgungszusagen von rund 35 Milliarden Euro dem Schuldenberg hinzu, dann liegt die am BIP gemessene gesamtstaatliche Schuldenquote bereits bei astronomischen 130 Prozent. Zum Vergleich: Die Steuereinnahmen des Landes werden im laufenden Jahr nach letzten Schätzungen gerade einmal knapp 6,1 Milliarden Euro betragen.

Griechische Verhältnisse im Norden – vom Wetter abgesehen liegt das Szenario nicht mehr fern. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und seine schwarz-gelbe Koalition werden deshalb nicht müde, die politische Litanei von der Notwendigkeit drastischer Einschnitte in die Ausgaben zu singen. Doch schon am Start des Konsolidierungspfades, den Carstensen, Wiegard und Co. abgesteckt haben, sind die Koalitionäre mit massiven Widerständen konfrontiert. Sozialverbände protestieren gegen die Kürzung von Zuschüssen, Blindenverbände gegen die Kürzung des Blindengeldes, aus der Kultur gibt es Kritik am Streichkonzert ebenso wie von der Lehrergewerkschaft, die – als gäbe es in den nächsten 15 Jahren keinen Schülerschwund um fast 25 Prozent – auf keine Lehrerstelle verzichten mag.

1800 Stellen im Landesdienst sollen fallen

Dabei ist das, was die Koalition – nicht zuletzt wegen des Zwangs, ab 2020 Haushalte ohne neue Schulden aufzustellen – plant, erst der Anfang. Das Budget für Zuschüsse, Zuweisungen und Investitionen soll bis 2020 um rund 740 Millionen Euro auf 2,67 Milliarden Euro abgeschmolzen werden. 1800 der noch gut 51.000 Personalstellen im Landesdienst sollen bis 2014 wegfallen, bis 2020 will das Land dann mit "nur" noch 45.700 Beschäftigten auskommen.

Allen solchen Bemühungen – wenn sie denn konkrete Politik werden – zum Trotz: Der Schuldenberg wird bis weiter wachsen und mit ihm die Zinslast auf voraussichtlich 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Klar ist für Wiegard in diesem Szenario vor allem eines: Für Steuersenkungsfantasien "gleich welcher Art" gibt es auf längere Sicht keinen Spielraum.
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