Diese Seite ist ein Archiv, sie wird nicht mehr aktualisiert.
Mitteilung vom 19. November 2010Kieler Minister will Steuerrecht radikaler ändern

Finanzminister Rainer Wiegard lässt nicht locker: Er will das Steuersystem stärker entrümpeln, als es die Koalition in Berlin vorhat.

Kiel Wiesbaden (dpa/lno) – Die Bemühungen der Koalition in Berlin um eine Vereinfachung des Steuerrechts gehen dem schleswig-holsteinischen Finanzminister Rainer Wiegard nicht weit genug. «Das kann erst der Anfang sein», sagte der CDU-Politiker am Freitag in Kiel nach den Vereinbarungen der Koalitionsspitzen vom Vorabend. Massiv setzte sich Wiegard dafür ein, bis spätestens 2020 zumindest für jene Produkte die Ermäßigung bei der Umsatzsteuer aufzuheben, «die am weitesten von den Grundbedürfnissen weg sind». Letztlich müsse es Ziel sein, den ermäßigten Steuersatz – 7 statt 19 Prozent – in einem mehrstufigen Prozess völlig zu streichen.
«Das Ermäßigungsvolumen beträgt immerhin 24 Milliarden Euro jährlich», sagte Wiegard. Hartz-IV-Empfänger und Sozialrentner sollten einen Ausgleich bekommen, wenn dadurch zum Beispiel Lebensmittel teurer werden. Die Koalitionsspitzen in Berlin hatten sich am Donnerstagabend darauf verständigt, bei der Reform der Mehrwertsteuer die Ermäßigung für Lebensmittel nicht anzutasten.
Nicht akzeptieren will Wiegard auch, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nichts an der Gewerbesteuer ändern will: «Das halte ich für falsch.» So müssten die nicht vom Ertrag abhängigen Elemente der Besteuerung – zum Beispiel Mieten, Pachten und Zinsen – wieder fallen. Es sei nicht sinnvoll, eine Steuer auf etwas zu erheben, für das kein Ertrag hinterlegt ist, sondern das aus der Substanz finanziert werden muss.
Die Steuervereinfachung könnte aus Sicht Wiegards auch dazu führen, ganze Steuern völlig wegfallen zu lassen: Wenn Kaffee nur mit 7 Prozent besteuert werde, der Bund aber zusätzlich eine Kaffeesteuer erhebe, könne man auch gleich den Regelsatz erheben. Gleiches gelte für die Kfz-Steuer: Ihr Wegfall könnte durch einen Aufschlag von zehn Cent auf die Mineralölsteuer kompensiert werden. Wiegard bekräftigte die Forderung an den Bund, die Länder angemessen an den Einnahmen aus der neuen Kernbrennstoffsteuer zu beteiligen. Sie müssten schließlich im Wesentlichen auch den Aufwand bewältigen, der durch die Verlängerung der Reaktorlaufzeiten entsteht.
Steuervereinfachungen sollten am besten so weit führen, dass in der Regel gar keine Steuererklärung ausgefüllt werden muss, erläuterte der Kieler Minister. Dies wäre ein besonders wirksamer Bürokratieabbau.
Gemeinsam mit seinem hessischen Kollegen Thomas Schäfer (CDU) hat Wiegard jetzt konkrete Vorschläge zur Steuervereinfachung vorgelegt, die über bisherige Pläne hinausgehen. So fordern beide, den bisherigen Pauschalbetrag für Arbeitnehmer bei den Werbungskosten von 920 Euro aufzusplitten. So solle es Extrapauschalen für Fahrtkosten sowie für die übrigen steuerlich absetzbaren Kosten geben.
Derzeit überschritten in vielen Fällen bereits die Fahrtkosten die Werbungskostenpauschale, argumentieren die Minister. Dadurch seien Einzelnachweise für meist geringere Beträge wie Fachliteratur oder Abschreibungen für einen beruflich genutzten Computer notwendig. Der Vereinfachungseffekt gehe dadurch verloren. Mit separaten Pauschalbeträgen könnten diese Nachweise künftig entfallen. Eventuelle Steuermindereinnahmen hingen von der Höhe der neuen Pauschalbeträge ab.
Von den etwa 27 Millionen Steuerpflichtigen in Deutschland sind nach Angaben der Minister 22,6 Millionen Arbeitnehmer. Die beiden CDU-Politiker wollen auch verständlichere Vordrucke für die Steuererklärung; Finanzämter sollten die Einkommensteuererklärung vorausfüllen.
Die Chance für ein einfacheres Steuerrecht sei so gut wie nie zuvor, heißt es in dem Papier aus Kiel und Wiesbaden.
Parteiübergreifend hätten die Länderfinanzminister im Mai in Dresden 13 konkrete Vereinfachungen beschlossen. «Aus Sicht der Länder bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung nicht hinter den Vorschlägen der Jahreskonferenz der Länderfinanzminister zurückbleibt.»
Pressemitteilungen im Archiv In der Presse