Diese Seite ist ein Archiv, sie wird nicht mehr aktualisiert.
Reden im Archiv Debatten aus dem Landtag
Rede vom 19. Mai 2010Plenarprotokoll: 17. Sitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtages Mittwoch, 19. Mai 2010

Finanzminister Rainer Wiegard: Nach 50 Jahren ist endlich Schluss mit neuen Schulden

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren!
Sie alle kennen mich und wissen, dass ich ungern einem Streit aus dem Wege gehe. Aber ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich auf manche Wortbeiträge dieser Debatte nicht eingehe, weil ich glaube, dass einfach der Anlass der Verfassungsänderung, die wir heute miteinander vorhaben, es gebietet, in dem Sinne, wie Herr Kubicki das hier ausgeführt hat, vielleicht ein bisschen mehr die grundsätzlichen Fragen zu erörtern, als gleich wieder den Versuch zu machen, grundsätzliche Fragen durch Einzelheiten der Tagespolitik in die eine oder andere Richtung zu bewegen.

Was mich heute bewegt, ist, dass wir nach 40 Jahren endlich diesen Irrweg beenden und dass wir es schaffen, in diesem Landtag dazu eine große Zweidrittelmehrheit zustande zu bringen.

[Wolfgang Kubicki (FDP): Vier Fünftel!]
- Oder sogar noch mehr.

Ich bin seit zehn Jahren in diesem Landtag, und vom ersten Tag an hat mich dieses Problem berührt und beschäftigt. Ich habe an allen Sitzungen der Föderalismuskommission teilgenommen, an der Beschlussfassung im Bundestag und an der Beschlussfassung im Bundesrat letztes Jahr.

Aber heute habe ich eine Gänsehaut.

Ich glaube, dass wir es geschafft haben, die Erkenntnis endlich zur Einsicht wachsen zu lassen, dass es grundsätzlich nicht so weiter geht wie seit 40 Jahren in Deutschland – im Bund wie in allen Ländern – praktiziert, jedes Jahr neue Schulden auf die alten drauf zu packen. Das haben sich auch Plisch und Plum so nicht vorgestellt, als sie damals Ende der 1960er Jahre die Änderung der finanzverfassung in der ersten Großen Koalition in Bonn bewirkt haben.

Wenn es auch ein bisschen zu lange gedauert hat, diese Erkenntnis nun in einen neuen Willen umzusetzen, so ist es doch nie zu spät, das zu tun. Dass wir das heute miteinander über Parteigrenzen und über die Streitigkeiten hinweg tun, die auch heute ihren Ausdruck in der Diskussion gefunden haben, das bewegt mich.

Herr Habeck, Sie haben über die Generationen gesprochen: Ich habe mit meiner Frau zusammen vier Kinder und seit Kurzem auch eine Enkelin, und ich erwarte noch ein paar mehr. Und eben deshalb bleibe ich bei meinem Leitmotiv in dieser Frage: Niemand, keine Regierung, kein Parlament und nicht einmal Eltern und Großeltern, haben das Recht, heute noch nicht geborene Generationen in beliebiger Höhe mit Schulden zu belasten, damit sie sich heute einen angenehmeren Lebensstandard leisten können.

[Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW]

Die Schulden in Schleswig-Holstein sind von 1990 bis 2005 um 13 Milliarden auf 23 Milliarden Euro gestiegen. Wir haben jetzt eine Zinsbelastung – das kann man auch im Haushalt nachlesen – von einer Milliarde Euro, die wir nur für die Vergangenheit bezahlen. Man könnte noch ein paar der impliziten Belastungen hinzunehmen. Aber bleiben wir bei dem Betrag. Wenn wir dann die Diskussion von heute Morgen aus der Aktuellen Stunde nehmen, Ekkehard Klug, dann könnten wir den Zuschuss des Landes für die Betreuung unserer Kinder in den Kindertagesstätten, die 60 Millionen Euro, über die so viel geredet wird, verfünfzehnfachen, wenn wir nicht die Schulden der Vergangenheit finanzieren müssten.

Deshalb sage ich, dass es so unendlich wichtig ist, diese Erkenntnis aus diesen 40 Jahren jetzt endlich in einen neuen Willen zu packen und zu sagen: Wir müssen auf behutsame Weise und auf unterschiedlichen Wegen – das kann auch von Land zu Land unterschiedlich sein – das Ziel erreichen, aufhören, immer neue Schulden auf den ohnehin vorhandenen Berg oben drauf zu packen. Wenn das dann erreicht ist, werden 50 Jahre vergangen sein, seit mit diesem Unsinn begonnen wurde. Aber wenn es dann nach 50 Jahren so weit ist, dass dann Schluss ist, dann ist das ja auch gut.

Und dann müssen wir in der Tat das tun, was wir jetzt auch gerne mitgetan hätten – Sie wissen, der Vorschlag kam aus Schleswig-Holstein -: Nicht nur eine Nullneuverschuldung zu verabreden, sondern gleich auch den Abbau der alten Schulden mit zu verabreden.

[Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW]

Das ist in diesem Durchgang nicht gelungen, aber auch der Abbau von Altschulden führt immer erst über den Flur, nämlich zunächst einmal über das Aufhören, neue Schulden zu machen. Insofern ist es auch da nicht zu spät.

Bei der Beratung über den neuen Länderfinanzausgleich, der in einigen Jahren sehr intensiv entbrennen wird, wird diese Frage eine herausragende Rolle spielen müssen. Schleswig-Holstein ist als eines der am schwersten belasteten Länder immer daran interessiert und wird es bleiben, ganz gleich, welche Regierungskonstellation wir hier haben, an dieser Frage vorrangig mitzuwirken. Dies ist unser gemeinsames Interesse.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei allen, die diese Entscheidung heute möglich machen.

[Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie vereinzelt bei der SPD]

* * *