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Reden im Archiv Debatten aus dem Landtag
Rede vom 20. Juni 2011Jahrestagung des Instituts für Finanzen und Steuern e.V. – Haus der Deutschen Wirtschaft, Berlin

Finanzminister Rainer Wiegard will einen Zukunftsplan Steuer 2020 – Meilensteine zu einem einfachen und transparenten Steuerkonzept

Es gilt das gesprochene Wort!
„Die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag und den Abzug nach § 13 Abs. 3, ist der Gesamtbetrag der Einkünfte. Bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte sind zunächst jeweils die Summen der Einkünfte aus jeder Einkunftsart, dann die Summe der positiven Einkünfte zu ermitteln. Die Summe der positiven Einkünfte ist, soweit sie den Betrag von 100.000 Deutsche Mark übersteigt, durch negative Summen der Einkünfte aus anderen Einkunftsarten nur bis zur Hälfte zu mindern. Die Minderung ist in dem Verhältnis vorzunehmen, in dem die positiven Summen der Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten zur Summe der positiven Einkünfte stehen. Übersteigt die Summe der negativen Einkünfte den nach Satz 3 ausgleichsfähigen Betrag, sind die negativen Summen der Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten in dem Verhältnis zu berücksichtigen, in dem sie zur Summe der negativen Einkünfte stehen.“

Halbzeit. Ich könnte auch noch die zweite Hälfte dieses Zitates vortragen. Doch ich möchte nicht unmenschlich sein und erspare Ihnen den Rest. Außerdem denke ich, dass die meisten von Ihnen bereits erkannt haben, woher dieser Auszug stammt: Das war der berüchtigte § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz, der zwischen 1999 und 2003 als geltendes Recht und auch noch danach zweifelhafte Berühmtheit erlangte.

Dieser Paragraph war nicht nur ein unsinniges Beschäftigungsprogramm für Steuerberater, er war zugleich ein Angriff auf die deutsche Sprache.

Es klingt fast wie ein Hilferuf, wenn selbst der im komplizierten deutschen Steuerrecht durchaus versierte Bundesfinanzhof in einer Pressemitteilung vor Anfang Juni (2011) diese Worte fand: Die Vorschrift sei „sprachlich nahezu unverständlich und verfassungsrechtlich heftig umstritten“. Und die Richter legten nach: „Der Wortlaut der Norm für sich genommen [ergibt] keinen eindeutigen Sinn.“

Da sind wir nun nach 62 Jahren bundesrepublikanischer Steuergesetzgebung angekommen:
Unsere Gesetze versteht keiner und sie ergeben noch nicht einmal einen Sinn.

Zugegeben, das ist ein sehr drastisches Beispiel. Die Norm wurde nach vier Jahren auch wieder einkassiert. Ich bin mir jedoch sicher, dass die Mehrheit der Anwesenden meine Auffassung teilt, dass die hier getroffene Wertung nicht auf diesen Vorgang beschränkt ist.


Ich habe es in der Vergangenheit stets begrüßt, wenn Kommissionen eingesetzt wurden, um Licht in den Steuerdschungel zu bringen, die Probleme zu erkennen und Besseres für die Zukunft auf den Weg zu bringen.

Umso hat mich das Ergebnis der geplanten Gewerbesteuerreform enttäuscht, das am vergangenen Mittwoch bekannt gegeben wurde: nämlich nichts!
Wir reden da über eine Steuer, die im internationalen Vergleich Exotenstatus besitzt.
Eine Steuer, die nur benötigt wird, weil die staatlichen Ebenen sich bei der Verteilung der Steuereinnahmen untereinander nicht trauen.
Eine Steuer, die deshalb zunächst mit erheblichem Administrationsaufwand berechnet wird, um sie dann zu großen Teilen gar nicht einzunehmen, sondern mit der Einkommensteuer wieder zu verrechnen.

Das ist aber nicht gerade der Sinn von Steuern, die ja nach dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erhoben werden sollen, auf dass der Staat und die Kommunen die notwendigen öffentlichen Aufgaben damit finanzieren.
Aufwändig berechnen, um zu verrechnen ist eigentlich nicht vorgesehen.

Fakt ist: Die Gewerbesteuer ist kompliziert, sie ist höchst konjunkturanfällig und sie erschwert in hohem Maße insbesondere ausländischen Investoren, ihre steuerliche Belastung in Deutschland zu ermitteln.
Und die Substanz besteuernden Hinzurechnungen aus der Zeit der großen Koalition krönen diese Steuer auch noch auf eine besondere Weise.
Diese Steuer schadet dem Standort Deutschland.

Und auch wenn nun zunächst für diese Wahlperiode das Thema, ist es eben nicht erledigt, sondern nur – wieder einmal – vertagt.

Das Ergebnis der Gewerbesteuerreform ist ein herber Rückschlag auf dem Weg zu einem einfachen und transparenten Steuersystem.


Das ist im Übrigen ganz besonders deshalb bedauerlich, weil Deutschland gerade zum zweiten Mal in seiner Geschichte ein kleines Wirtschaftswunder erlebt.

Nach der schwersten Wirtschaftskrise, die die freie Welt je erlebt hat, erholt sich die deutsche Wirtschaft schneller und kräftiger als noch vor wenigen Monaten erwartet.

Das ist zu einem Teil das Ergebnis überwiegend richtiger wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen, die die Politik in dieser kritischen schwierigen Zeit gesetzt hat.

Und es ist vor allem das Ergebnis besonnener Unternehmer und der Beschäftigten, die in unserer sozial verpflichteten Marktwirtschaft ihren Weg mit Vernunft und Zielstrebigkeit gegangen sind.

Wir werden ein bis zwei Jahre früher wieder das steuerliche Einnahmeniveau der Vorkrisenzeit erreicht haben. Damit sind wir noch nicht wieder auf dem langfristigen Pfad, aber vor sechs Monaten wäre jeder der Schönfärberei bezichtigt worden, der eine solche Entwicklung vorhergesagt hätte.

Die Arbeitslosigkeit sinkt im kommenden Jahr auf unter 2,7 Millionen Menschen.
Die Erwerbstätigkeit steigt auf über 41 Millionen Beschäftigte.

Diese positiven Entwicklungen im Vergleich auch zu vielen unserer Nachbarn, sollten uns Mut machen, die offenen, die seit langem bekannten Ungereimtheiten – z.B. in der Steuerpolitik – ganz zielstrebig und kraftvoll anzugehen, statt sie zu ignorieren.

Die nächste Krise kommt bestimmt. Es ist besser, wir sind gerüstet.


Ein Projekt hat die heutige Jahrestagung bereits aufgegriffen:
die Reform der Organschaftsbesteuerung. Auch hier haben wir eine alte Baustelle, die Anknüpfung an das Handelsrecht ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

Die Bundesregierung will dieses Thema angehen. Wolfgang Schäuble hat Ihre und unsere Unterstützung bei der Umstellung auf eine moderne Gruppenbesteuerung. Wir müssen die notwendige Flexibilität für die Unternehmen schaffen, dadurch den Standort Deutschland stärken und nicht zuletzt die Administration in der Steuerverwaltung vereinfachen.

Sowohl die Reform der Gewerbesteuer als auch die der Organschafts-/Gruppenbesteuerung sind aber nur Teil einer notwendigen Modernisierung.

Ein ehemaliger US-Präsident (Nixon) hat es so formuliert: „Wir können die Besteuerung niemals populär, aber wir können sie fair machen.“

Ich füge hinzu: Voraussetzung für Fairness ist Transparenz.

Schon 2003 haben wir festgestellt: Unser kompliziertes Steuerrecht provoziert Ausweichreaktionen und Rechtsverweigerung. Jetzt ist es an der Zeit, ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen, dass mehr Transparenz schafft. Jeder Steuerzahler muss erkennen können, warum und wieviel Steuern er zahlen muss. „Der durchschnittlich begabte Bürger muss ohne spezielle Fachliteratur, komplizierte Programme und fachliche Beratung selbst ausrechnen können, wie hoch seine Steuerbelastung ist“, hat Friedrich Merz 2003 formuliert.


Als schleswig-holsteinischer Finanzminister möchte ich aus der Sicht eines leider immer noch strukturschwachen Landes an dieser Stelle einen Hinweis einfügen:


Dazu drei Stichworte:
30 Mrd Euro KapitalmarktSchulden Land Kommunen,
35 Milliarden implizite PensionsVerpflichtungen
35 Mrd Euro SH Anteil an Bundesschulden

Das sind Schulden und Verpflichtungen in Höhe von 100 Milliarden Euro bei einem BIP von rd. 70 Milliarden Euro. Die Relation kann jeder selbst ausrechnen. Das Verhältnis zu anderen Staaten und Ländern auch.

Wir müssen unsere Haushalte im Blick haben.

Niemand – keine Regierung und kein Parlament, nicht einmal Eltern und Großeltern – niemand hat das Recht, heute noch nicht geborene Generationen mit Schulden zu belasten, um sich heute einen angenehmeren Lebensstandard leisten zu können.

Die Modernisierung des Steuersystems kann deshalb nicht mit einer großen Steuersenkungsaktion verbunden sein, die wieder zu höheren Schulden führt und die Bezahlung unseres heutigen Wohlstandes auf noch nicht geborene Generationen vertagt.

Das soll dann aber auch schon die einzige – wenn auch wichtige – Einschränkung sein.


Wir brauchen einen Zukunftsplan Steuer 2020 und
Meilensteine zu einem einfachen und transparenten Steuersystem.

Angesichts der geschilderten Trägheit der deutschen Politik im Hinblick auf ein modernes, zukunftsfähiges Steuerrecht, plädiere ich nicht für den großen Big Bang – den schaffen wir offensichtlich nicht –
sondern wir brauchen eine an langfristigen Zielen orientierte Steuerpolitik, die die allgemein bereits erkannten Probleme in einem erkennbaren ordnungspolitischen Korridor bündelt und in einem überschaubaren Zeitraum einer Lösung zuführt: Einen Zukunftsplan Steuer 2020.

Wir müssen weg davon, regelmäßig Sonntags bei Anne Will die Forderung nach Steuersenkungen in die Welt zu setzen und sie am Montag bei Beckmann wieder einzusammeln, „weil dafür kein Spielraum ist“.

Beides gibt nämlich keine hinreichende Antwort auf die bekannten Fragen.

Ich habe keine Zauberformel, nichts, was Sie nicht schon kennen.
Die Probleme sind seit Jahren bekannt, die Lösungen auch. Wir müssen sie „lediglich“ in einem Masterplan zusammenfassen. Und weil nicht alles auf einmal geht, in Meilensteine aufteilen.
Und zugleich die Kunst vollbringen, uns nicht an Wahlperioden orientieren zu wollen.


Jedem dieser Meilensteine kommt eine hohe Bedeutung zu. Gleichwohl, wenn Sie mich nach meinem Favoriten fragen würden, müsste ich nicht lange nachdenken: Das ist eindeutig der Meilenstein Mehrwertsteuer.

Über die Mehrwertsteuer gibt es eigentlich nicht mehr viel zu berichten.

24 Milliarden Euro beträgt das Ermäßigungsvolumen mittlerweile. 21 Milliarden Euro davon landen bei Abgeordneten, Bankern, Hochschulprofessoren, Steuerberatern, Grünen-Wählern.
Der Oppositionsführer im SH Landtag hat kürzlich mit Tränen in den Augen die soziale Wirkung des ermäßigten Steuersatzes reklamiert. Ich habe ihn schlicht gefragt, warum er bei seinem Einkommen von mehr als 150.000 Euro weiter darauf besteht, steuerbegünstigt Brot, Butter, Milch und Käse kaufen zu wollen.

Gerade einmal drei Milliarden Euro beträgt das Ermäßigungsvolumen für Haushalte mit niedrigem Einkommen. Beim besten Willen, dies rechtfertigt weder die Subvention der Besserverdienenden, noch das entstandene Ausnahmen-Chaos im Steuerrecht. Stattdessen steht ein klarer Schnitt an:

Der derzeitige Mehrwertsteuer-Regelsatz wird von 19 auf etwa 16 Prozent gesenkt.

Die Ermäßigungen werden im Zusammenhang mit anderen steuerlichen Maßnahmen für ein einfaches und transparentes Steuerrecht weitgehend aufkommensneutral beseitigt.

Für Bezieher von Transferleistungen und Niedrigeinkommen erfolgt ein entsprechender Ausgleich, soweit die Streichung von Ermäßigungen nicht durch die Senkung des Regelsteuersatzes kompensiert wird.

Die Steuerschuldnerschaft geht vom Rechnungssteller auf den Leistungsempfänger über (Reverse-Charge).

Die Umsatzbesteuerung soll sich langfristig an den Zahlungsflüssen ausrichten (IST-Besteuerung).

Die Umsetzung dieser Maßnahmen wäre ein wahrer Quantensprung. Der muss aber auch nicht in einem Sprung erreicht werden.

Neben der Mehrwertsteuer besteht dringender Handlungsbedarf bei der Einkommensteuer.
Die Einkommensteuer ist ebenfalls ein ganz spezieller Fall. In der politischen Debatte geht es eigentlich immer nur um das eine:
Steuersenkungen ja oder nein.

Das ist mir zu schlicht.
Bevor wir uns über die Höhe der Steuersätze unterhalten, müssen wir zunächst eine transparente Struktur schaffen.

Es ist fast eine Art Glaubensbekenntnis, ob Flat Tax, Progression oder Stufentarif.

Für mich ist es in diesem Stadium des Vertrauensverlustes der Menschen in unserer Steuersystem – die Menschen glauben einfach nicht, dass es da gerecht zugeht – ein Wert an sich, dass der durchschnittlich begabte Steuerzahler seine Steuerschuld auf der Grundlage einer einfach zu ermittelnden Bemessungsgrundlage ohne Hinzuziehung spezieller Literatur und ohne aufwändige und Rechtsberatung selbst ausrechnen kann.
Das ist ein Wert an sich.
Grund und Höhe der Besteuerung muss für den Betreffenden auf Anhieb erkennbar sein.

Nur Transparenz schafft Vertrauen. Und wir brauchen wieder das Vertrauen der Menschen in unser Handeln. Vorrangig auch in das steuerliche Handeln.

Genau das ist die Philosophie, die sich in einem neuen Einkommensteuergesetz widerspiegeln muss.
Überschaubare 4 bis 5 Stufen,
etwa 14 Prozent Eingangssteuersatz,
etwa 45 Prozent Spitzensteuersatz,
Der Soli geht bis Ende des Jahrzehnts darin auf.
Der Mittelstandsbauch muss auf dieser Strecke erträglich geglättet werden.
Und wir müssen der Kalten Progression Herr werden.

Ich warne davor, dieses Problem weiter zu ignorieren.
Derzeit verdient ein Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer im Durchschnitt rund 42.000 Euro. Bei durchschnittlicher Inflation und Tarifentwicklung können wir schon mit eineinhalb Händen ausrechnen, wann dieser durchschnittlich verdienende Arbeitnehmer mit dem Spitzensteuersatz belastet wird.
Wollen wir das?
Wenn wir das nicht wollen, sollten wir uns heute auf den Weg machen – nicht erst, wenn es soweit ist.

Hier ist m.E. eine Formellösung erforderlich, die greift, wenn ein bestimmter Zeitraum abgelaufen oder eine relative Entwicklung überschritten ist.

Und: Wir müssen die Besteuerung so ausrichten, dass bereits durch den Lohnsteuerabzug und die Abgeltungssteuer die endgültige Steuerbelastung erreicht wird.

Dafür ist es unumgänglich, deutlich großzügiger mit Pauschalierungen zu arbeiten. Auf diese Weise wird es in vielen Fällen nicht mehr erforderlich sein, Einkommensteuererklärungen abgeben zu müssen.

Und das sage ich hier auch als oberster Dienstherr von fast 5.000 Mitarbeitern in meinen 17 Finanzämtern:
Mir sind meine Mitarbeiter einfach zu schade, zu überprüfen ob die Schornsteinfegerrechnung über 54,30 Euro im Original vorliegt, dazu der Zahlungsbeleg und der Kontoauszug. Dafür sind sie viel zu gut und zu teuer ausgebildet. Ich will gar nicht wissen, wie viele Arbeitsstunden dafür verschwendet werden und wie hoch die dadurch anfallenden Kosten sind – in jedem Fall sind sie zu hoch.

Die Zeiten, wo wir es als besonderen Service der Finanzverwaltung angesehen haben, dem Steuerpflichtigen dabei zu helfen, seinen Schuhkarton mit Belegen zu sortieren, sind jedenfalls vorbei.

Heute steht in 90 Prozent der Kinderzimmer ein weltweit vernetzter Computer. Deshalb muss der digitale Austausch der Steuerdaten in der Zukunft die Regel werden.


Der nächste Meilenstein ist die Reform der Kommunalfinanzen. Meine Meinung zur Gewerbesteuer kennen Sie bereits. Sie ist konjunkturanfällig und als verlässliche Einnahmequelle für die Gemeinden nicht geeignet. Sie muss weg, je früher desto besser.

Als Zwischenschritt sollten zumindest die ertragsunabhängigen, die Substanz belastenden und damit systemwidrigen Hinzurechnungen aus der Zeit der großen Koalition bei der Gewerbesteuer gestrichen werden. Die Kommunen sollen für die Mindereinnahmen einen Ausgleich über einen entsprechend höheren Umsatzsteueranteil erhalten.

Langfristig erwarte ich schon deutlich mehr Mut. Wir sollten die Kommunen in die Lage versetzen, einen Zuschlag auf die Lohn-, Einkommens- und die Körperschaftssteuer zu erheben. Mit diesem Zuschlagsrecht könnten die Kommunen individuell auf die örtlichen Gegebenheiten reagieren – und ihr Schicksal von der unsteten Gewerbesteuer entkoppeln. Und wenn es nach mir ginge, sollten die Länder diese Möglichkeit ebenfalls erhalten.

Ich möchte damit nicht einer allgemeinen Steuererhöhung konzeptionell den Weg bereiten. Allerdings wäre ich als Finanzminister eines Konsolidierungslandes froh über jede Erweiterung meiner Handlungsoptionen.


Der nächste Meilenstein ist der heutige Hauptdiskussionspunkt: die Reform der Unternehmensbesteuerung. Dazu gehört neben der Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems auch die Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (GKKB). Der zufolge wird den Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, ihren Gewinn europaweit nach einheitlichen Regelungen zu ermitteln und zu einem europäischen Gesamtgewinn zusammenzufassen, der anschließend nach einer festgelegten Formel auf die beteiligten EU-Mitgliedsstaaten aufgeteilt wird. Der immense Verwaltungs- und Befolgungsaufwand, der durch die bisherigen Vorschriften hervorgerufen wird, kann auf diese Weise radikal reduziert werden.

Durch die Einführung eines Steuersatzkorridors würde zudem der Steuersenkungswettbewerb zwischen den EU-Ländern eingedämmt. Ich bin gespannt, was die Verhandlungen auf europäischer Ebene ergeben werden.

In einem weiteren Schritt wird auch die unterschiedliche Besteuerung von Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung nivelliert, um dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung zu tragen.


Etwas weiter kommen wir hoffentlich jetzt bei der Grundsteuer. Millionen Menschen sind davon betroffen.
Der Einheitswert hat seine Zukunft schon hinter sich und die notwendige Reform öffnet die Tür für eine Grundsteuer mit einer einfachen und transparenten Bemessungsgrundlage. Die Kommunen sollen die Steuer vollständig selbst verwalten können.


Und damit kommen wir zu dem Meilenstein: Förderungen über das Steuerrecht.
Der Begründer der Rothschild-Dynastie, Meyer Amschel Rothschild, hat es schon vor zwei Jahrhunderten auf den Punkt gebracht:
„Die Unkenntnis der Steuergesetze befreit nicht von der Pflicht zum Steuerzahlen. Die Kenntnis aber häufig.“

Die Bundesregierung plant derzeit die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung.

An dieser Stelle läuft man natürlich immer Gefahr, vielen Betroffenen auf die Füße zu treten und in Konflikt mit den unterschiedlichsten Interessenvertretern zu geraten. Dennoch ist es für mich unerlässlich, hier künftig konsequent Sonderregelungen und Ausnahmen in allen Steuergesetzen auf den Prüfstand zu stellen, besser abzuschaffen oder hilfsweise durch pauschale Regelungen zu ersetzen.

Förderungen, auf die man partout nicht verzichten möchte, sollten aus dem steuerlichen Bereich ausgelagert und stattdessen durch direkte Förderprogramme begünstigt werden.
Das ist transparent, zeitlich leicht befristbar und erhöht die Wirkung.


Der zunächst letzte Meilenstein erhöht die Effizienz der Steuerverwaltung.
Dazu gehört beispielsweise die von Hessen und Schleswig-Holstein vorgeschlagene Aufteilung der Arbeitnehmer-Pauschale in eine nicht abgeltende Entfernungspauschale, eine abgeltende Pauschale für beruflich genutzte Computer und eine nicht abgeltende Pauschale für die übrigen Werbungskosten. Damit wären etwa fünf Millionen Erklärungsvorgänge überflüssig.

Und um den Aufwand für die Steuerverwaltung weiter zu reduzieren, stellt sich am Ende die Preisfrage:

Welche Steuer brauchen wir überhaupt?
Warum brauchen wir vier verschiedene Steuern auf Alkohol? Reicht nicht eine?

Warum besteuern wir mit der Kfz-Steuer allein den Besitz eines Autos unabhängig davon, ob es auch nur einen Kilometer bewegt wird und behaupten, dies geschehe zum Schutz unserer Atmosphäre, wo wir doch die Mineralölsteuer und eine Maut haben, mit der das ohne zusätzlichen Aufwand erreicht werden könnte?

Warum erheben wir erst eine Kaffeesteuer, um den so erhöhten Kaffeepreis dann bei der Mehrwertsteuer aus sozialen Gründen wieder zu ermäßigen. Die Logik erschließt sich nicht sogleich.

Das sind keine großen Themen für Steuerrechtler. Aber die Menschen in Deutschland würden spüren: Hier tut sich was, wenn wir mit solchem Unsinn aufhörten. Die machen, was sie sagen.
Untrennbar von den Meilensteinen ist im Übrigen die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs.
Wie notwendig diese Neuordnung ist, zeigt dieses Beispiel:
Vor einem Monat hat Schleswig-Holstein eine hohe Steuerzahlung eines einzelnen Unternehmers erhalten.
560 Millionen Euro flossen auf einen Schlag an das zuständige Finanzamt.
Da es sich um eine Einkommensteuervorauszahlung handelt, stehen dem Land jedoch nur 225 Millionen Euro zu, der Rest fließt an Bund und Kommunen.
Durch den komplizierten Berechnungsmechanismus werden wir im Gegenzug mit 260 Millionen Euro im Finanzausgleich belastet. Ein schlechtes Geschäft. Unterm Strich hätte ich also 35 Millionen Euro mehr in der Kasse, wenn ich den ehrlichen Steuerzahler gebeten hätte, z.B. zu einem Berliner Finanzamt zu wechseln.

Sie sehen also, auch hier ist viel zu tun, dass sich Anstrengung lohnt.

Alle Bedenkenträger sollten sich über eines im Klaren sein: Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, die bereits erkannten Probleme anzugehen.
Neue kommen von allein hinzu.

Denn trotz Griechenland und weltweiter Wirtschaftskrise boomt die deutsche Wirtschaft.
Wir haben Wachstum,
die Arbeitslosigkeit sinkt,
die Einkommen steigen.
Wir sind also in einer Situation, in der wir es uns leisten können, mutig zu sein.
Mutig. Nicht übermütig.

Vergessen wir nicht: Unsere Unternehmen haben im vergangenen Jahrzehnt ihre Hausaufgaben gemacht und sich für den globalen Wettbewerb gerüstet.
Das war der Grundstein für den heutigen Erfolg der deutschen Wirtschaft.

Jetzt ist die Politik gefordert, Deutschland als erstklassigen Wirtschaftsstandort dauerhaft zu festigen.

Das deutsche Steuerrecht als Standortvorteil – so absurd es heute klingt, diese Vision kann Wirklichkeit werden.

Und wenn wir es tatsächlich schaffen, unser Steuerrecht vom Gespött der Kabarettisten zu befreien, schaffen wir vielleicht noch etwas viel wichtigeres:
die Versöhnung der Deutschen mit Ihrer Steuererklärung.
Wenn das kein Ansporn ist!

Ich würde mich freuen, wenn wir dabei auf Ihre Unterstützung zählen könnten- sei es als Steuerrechtsprofessor, sei es als Unternehmer, als Verbandsvertreter, als Steuerbeamter, als Politiker oder sei es als einfacher Steuerzahler, der endlich verstehen will, warum er wieviel Steuern zahlt.