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Reden im Archiv Debatten aus dem Landtag
Rede vom 16. September 2009Plenardebatte im Landtag

Finanzminister Rainer Wiegard: Schuldengrenze ist zwingend notwendig

Vizepräsidentin Ingrid Franzen:
Das Wort für die Landesregierung hat nun Herr Finanzminister Rainer Wiegard.

Rainer Wiegard, Finanzminister und Innenminister:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich vor dem Hohen Haus klarstellen, auf welche Weise wir über die Vorschläge des Herrn Landtagspräsidenten zu diesem Themenkomplex hergefallen sind. Der Einfachheit halber zitiere ich aus dem Protokoll der Plenarsitzung vom 15. Juli. Damals habe ich ausgeführt:

„Herr Kollege Kayenburg, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie durch die Verbindung Ihrer beiden Anträge sehr deutlich gemacht haben, worauf es ankommt: Wenn man das eine tut, muss man vorher das andere auch tun, nämlich in der Verfassung klar regeln, wie wir künftig mit Neuverschuldung umgehen. Eine Klage gegen die Verfassungsregeln im Grundgesetz kann nicht für sich allein stehen, denn wenn sie Erfolg hätte, was ja in breiten Teilen des Hauses vermutet wird, dann würden wir, wenn wir nicht eine eigene Verfassungsregel in unsere Verfassung aufnähmen, ohne eine solche dastehen. Das wäre kontraproduktiv. Das ist nicht gewollt.
Ich persönlich darf hinzufügen, dass es für mich ohnehin fraglich ist – das hat jetzt nichts mit dem rechtlichen Rahmen zu tun -, ob staatliche Organe das Recht haben, in beliebiger Höhe und auf unabsehbare Zeit heute noch nicht geborene Generationen mit Schulden zu belasten, um damit den heutigen Lebensstandard zu finanzieren.“

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich denke, das macht sehr eindringlich klar, wie wir über Herrn Kayenburg hergefallen sind.
Herr Kollege Hentschel, ich bin ein erneutes Mal überrascht, wenn Sie darstellen, dass Dänemark bereits vor 15 Jahren diese Schritte gegangen sei, die Sie jetzt vorschlagen. Das muss im Jahr 1994 gewesen sein.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1993!)

- Seit 1993 sogar. Von 1996 bis 2005 haben Sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein regiert. Sie sind für 60 % der Kapitalmarktschulden des Landes Schleswig-Holstein verantwortlich.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei dieser Diskussion, die nicht immer – wie ich finde – den Sachverhalt vollständig wiedergibt, wird außer Acht gelassen, dass es neben den Kapitalmarktschulden eine Reihe weiterer Verschuldungen aus der Gegenwart und der Vergangenheit gibt, die in die Zukunft reichen, nämlich beispielsweise die Verlagerung der Pensionsleistungen für ausgeschiedene Beamte, ohne dass hierfür Vorsorge getroffen worden ist. Auch ein Ausbau von Infrastruktur ist in die Zukunft verschoben worden. Dies gilt auch für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen bei Vermögensgegenständen, für unterlassene Sanierungen zum Beispiel beim UK S-H und so weiter.

Wenn Sie das summieren, kommen Sie auf Milliardenbeträge, die laufende Haushalte belasten, und zwar nicht etwa mit Aufgaben für die Zukunft, sondern es sind Lasten, die in der Vergangenheit entstanden sind, im Wesentlichen in der Zeit, in der Sie regiert haben. Dies gehört zur Wahrheit der geschichtlichen Darstellung dazu.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie in mehreren Beiträgen darstellen, dass es nicht gehen könne, nun in einem Schnellverfahren eine Verfassungsregel zu dieser Frage in die Verfassung aufzunehmen, dann sage ich: Darüber diskutieren wir bereits seit drei Jahren in der Föderalismuskommission. Bereits zu Beginn ist von Einzelnen in diesem Haus dieses Thema problematisiert worden. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass heute darüber diskutiert wird, wir müssten nun im Schnellverfahren die Verfassung ändern. Nein, meine Damen und Herren, das ist eine völlig unzureichende Darstellung. Wir haben Zeit genug.

Im Übrigen haben wir mit zahlreichen Wissenschaftlern und mit allen politischen Kräften in Deutschland aus den Ländern und dem Bund über die Lösung dieser Frage diskutiert – Sie wissen, dass wir sehr unterschiedliche Lösungsansätze gehabt haben – und sind schließlich zu einer Einigung gekommen. Deshalb glaube ich nicht, dass wir in Schleswig-Holstein die Welt unbedingt noch einmal ganz neu, sozusagen von vorn erfinden müssen, sondern dass hier genügend Ansätze enthalten sind.

Ich halte auch den Vorschlag, zunächst eine Klage einzureichen und für den Fall, dass man sich dann nicht verständigen kann, später eine die Verfassung ändernde Regelung zu machen und die Klage dann wieder zurückzuziehen, für falsch.

Das Beispiel, das hier genannt worden ist, ist schlicht falsch. In der Tat haben wir schon einmal eine Verfassungsklage eingereicht, nämlich die, festzustellen, dass der Haushalt des Landes Schleswig-Holstein verfassungswidrig ist, nachdem die Regierung, der Sie angehörten, Herr Hentschel, die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts zunächst einmal proklamiert hatte. Wir haben die Klage zurückgezogen, nachdem ich hier im Landtag für die Landesregierung demonstrativ und klar erläutert habe: Wir halten den Haushalt 2005 für verfassungswidrig und den für 2006 gleich mit. – Wenn dies dann so festgestellt ist, dann, Herr Kollege Kubicki, muss man dies nicht durch eine Klage in Karlsruhe zusätzlich feststellen lassen. Deshalb haben wir die Klage zurückgezogen.

(Unruhe bei der SPD – Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Faule Ausrede!)

- Das ist überhaupt keine faule Ausrede. Man muss nicht etwas feststellen lassen, was man selbst schon festgestellt hat.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, das war allerdings eine sehr wichtige Änderung in der Politik, die im Übrigen auch dazu geführt hat, dass wir innerhalb weniger Jahre alles, was an zusätzlichen Einnahmen in die Landeskasse hineingekommen ist, dazu verwandt haben, genau diesen Sachverhalt zu ändern

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das haben Sie nicht gemacht!)

- genau diesen Sachverhalt zu ändern -, Herr Kollege Hentschel, nämlich die Neuverschuldung damit zu reduzieren, so, wie es versprochen worden ist. Deshalb haben wir im Jahre 2008 einen Fehlbetrag im Haushalt ausgewiesen vor Risikovorsorge von weniger als 300 Millionen €. Von Ihnen hatten wir 1,7 Milliarden € übernommen. Das war der Weg, den wir gegangen sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nur sage ich sehr deutlich: Alle Fraktionen haben in der Sache ja bekundet, dass sie die Signale eigentlich verstanden haben. Wenn man die Aufzählung der Schuldenentwicklung – und wenn man noch hinzunimmt, was ich an heimlicher Schuldenentwicklung dargestellt habe – zum Anlass nimmt, zunächst einmal eine Schuldengrenze, eine neue und – von allen so bekundet – anerkannte Schuldengrenze zu bekämpfen, statt sie erst einzuführen, dann entbehrt das doch einer ganzen Menge Logik. Es gibt genauso die Möglichkeit, den Beschluss über eine Klage in Karlsruhe gegen die grundgesetzliche Regelung erst dann herbeizuführen, wenn die Landesverfassung tatsächlich in entsprechender Weise geändert wird.

Ich sage Ihnen sehr deutlich, was meine Sorge ist: In den im Föderalismusverfahren vereinbarten Konsolidierungshilfen für Schleswig-Holstein geht es um 720 Millionen €. Wir haben uns hier schon über kleinere Beträge miteinander gestritten.

Diese Konsolidierungshilfen sind klar und eindeutig an die Regelungen in Artikel 109 GG gebunden. Wenn wir dies nun bekämpfen, kann ich Ihnen nur sagen: Ich glaube nicht, dass wir eine Verhaltensveränderung mit dem Bund über diese Konsolidierungshilfen erreichen, wenn wir gleichzeitig eine Klage dazu anstrengen, ohne dass wir eine mindestens gleichwertige, gleichgewichtige Regelung in der Landesverfassung verankert haben, um demonstrativ zu dokumentieren, dass dieses Land Schleswig-Holstein bereit ist, diesen Weg zu gehen.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Absichtserklärungen haben Sie auch in früheren Jahren dazu abgegeben, eingehalten haben Sie sie nie.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Nehmen Sie diese Sorge ernst!

(Beifall bei der CDU)