Mein Büroleiter Walter Lohse schickt mir den Landtags-Pressespiegel per E-Mail. Zusammen mit den regionalen Tageszeitungen habe ich so schon am frühen Morgen einen guten Überblick über das, was an Diskussionen über diese Meldungen den Tag auch beherrschen wird. Nicht immer ist diese Lektüre ein erfreulicher Tagesauftakt - während ich das Frühstück für meine Frau und mich vorbereite.
Mein Fahrer Alexander Kehl steht – wie immer pünktlich - mit unserem Audi vor der Tür. Er ist bereits über eine Stunde von Kiel nach Bargteheide unterwegs. (Sein Vorgänger Dieter Forck wurde immer freundlich von den drei Heidschnucken auf unserem Nachbargrundstück begrüßt. Aber die sind nun auf dem Gnadenhof.) Am Abend wird Herr Kehl – nachdem er mich in Bargteheide abgesetzt hat – noch eine Stunde nach Hause brauchen. So ist er immer gut zwei Stunden länger unterwegs als ich. Ein harter Job.
Im Wagen liegen die ‚Termin-Mappen' für die ersten Termine des heutigen Tages und eine dicke Mappe mit ‚Lese-Akten'. Denn Fahrtzeit ist Arbeitszeit. Während Herr Forck uns zügig und sicher in das Ministerium chauffiert studiere ich die Unterlagen, mache hier und da ein paar Anmerkungen oder Fragezeichen, natürlich in ‚Ministergrün'.
Während Herr Kehl uns zügig und sicher in das Ministerium chauffiert studiere ich die Unterlagen, mache hier und da ein paar Anmerkungen oder Fragezeichen, natürlich in ‚Ministergrün’.
Zwischendurch ein erstes telefonisches Abstimmungsgespräch mit Walter Lohse, dem Chef meines Stabes im Finanzministerium, genau: Leiter MinisterBüro LMB. Er weiß, was für mich wichtig ist und was mir ‚auf den Senkel geht’. Er weiß, ‚wie ich ticke’.
Ankunft im Ministerium. Eine ehemalige Kaserne. Direkt an der Förde. Rechts neben dem Landtag. Meine Sekretärin Imke Eggert hat schon einen Stapel Akten auf dem Schreibtisch geordnet. Aber zuerst ruft sie die ‚Interne Runde’ zusammen. Lagebesprechung. Anwesend sind der Leiter des Stabes, der Pressesprecher, die Grundsatzreferenten und Staatssekretär Dr. Olaf Bastian. Kurze Darstellung der wesentlichen Presseberichte. Rückschau auf die letzte Woche. Was war gut, was schlecht, was hat uns geärgert. Wichtige Landtags- und Kabinettsvorlagen. Was liegt an: heute, morgen, diese Woche, nächste Woche. Kabinett. Landtag. Bewertungen. Neue Aufträge. Notwendige Kontakte. Nächste Lage am Mittwoch.
Mit Wolfgang Liethmann, dem Leiter der Koordinierung, bespreche ich die wichtigen Tagesordnungspunkte für die Finanzministerkonferenz und die Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates am Donnerstag. Am Mittwoch ist auch noch die Sitzung des Stabilitätsrates. Also ist ‚Berliner Woche’ angesagt.
Zu den meisten der etwa 80 Punkte der Tagesordnungen haben die Finanzreferenten der 16 Länderfinanzminister übereinstimmende Vorlagen vorbereitet. Das kann wohl alles auf die ‚grüne Liste’. Über die grüne Liste kann in einem Abstimmungsgang abgestimmt werden, wenn niemand Widerspruch erhebt. Das verkürzt die Beratungszeit erheblich. Offen sind komplizierte und streitige Detailfragen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, zur Erbschaftsteuer, zur Kfz-Steuer (jetzt will der Bund schon wieder neue Besteuerungsregeln einführen, als ob das nicht schon kompliziert genug ist.) Über diese Punkte werden wir zuerst in der B-Runde (CDU-Finanzminister) versuchen, Einvernehmen herzustellen, um dann mit den A-Ländern (SPD-Finanzminister) darüber zu verhandeln. Für den Finanzplanungsrat haben wir ein Papier zur Begrenzung der Staatsschulden vorgelegt.
Mit einer Codenummer wähle ich mich in die zuvor durch die Vorzimmer für Punkt 11 Uhr vereinbarte Telefonschaltkonferenz der Finanzminister ein. Ein Gong meldet, dass ein weiterer Teilnehmer in der Runde ist. Ich melde mich: „Moin, moin. Rainer Wiegard hier. Schöne Grüße von der Förde.“ Bis alle an der Strippe sind, dauert es etwa fünf Minuten. Die Zeit wird genutzt, übereinander zu frozzeln. Diesmal ist Thomas Schäfer aus Hessen dran. Hessen will mit den ‚Südländern‘ den Länderfinanzausgleich kippen. Da kann man trefflich drüber streiten – oder witzeln. Wir entscheiden uns für das zweite.
Dr. Thomas Schäfer ist auch Vorsitzender der Finanzministerkonferenz. Wir erörtern aktuelle Finanzierungsfragen zu den Vorschlägen des Bundes über Steuervereinfachung. Details will ich mir hier ersparen. Das Thema wird uns noch länger beschäftigen. Wir verständigen uns auf einige Grundsätze und die Teilnehmer der Verhandlungskommission.
Anruf eines Journalisten einer überregionalen Zeitung. Er hat gehört, dass es da eine vertrauliche Vorlage der Landesregierung geben soll zum Thema … Können Sie mir da mal helfen? Das ist doch wohl ein Knaller. Was sagen Sie denn dazu? Und was wollen Sie unternehmen? Name, Thema und Reaktion lassen wir hier mal weg.
Dirk Schrödter, Leiter des Generalreferates Haushalt, berichtet über den Stand der Beratungen mit dem Bildungsministerium zu den künftigen Schülerzahlen und der Lehrer- und Unterrichtsversorgung bis zum Jahre 2020. Fakten klären. Alternativen prüfen. Detailvorschlag erarbeiten. In der Internen Runde vortragen. Vier-Augen-Gespräch mit dem Bildungsminister vorbereiten.
Gespräch mit dem Finanzpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Tobias Koch. Es geht um die Finanzierung der politischen Schwerpunkte der Landesregierung. Ich skizziere kurz die Reihenfolge: Strikte Ausgabendisziplin. Zielstrebiger Ausbau der wirtschaftlichen Infrastruktur – notwendige Verkehrswege, schnelle Datennetze, sichere und bezahlbare Energieversorgung. Mehr BildungsQualität – nicht nur mehr Lehrer. Vereinbarkeit von familiären Pflichten und beruflichen Aufgaben für junge Familien. Denn die demografische Entwicklung ist nicht aufzuhalten.
Die Erbschaftssteuerreferenten der Finanzminister von Bund und Ländern tagen in Kiel. Sie sollen die schwierige Materie für die politischen Entscheidungen der Minister aufbereiten. Kein einfaches Geschäft. Denn manche Wünsche und Forderungen stehen sich völlig gegensätzlich gegenüber.
Ich begrüße die Referenten in Schleswig-Holstein und bringe meine Sorge über die Vielfalt der unterschiedlichen Auffassungen zum Ausdruck. Die von der Berliner Koalition verabredete Stundung der Erbschaftssteuerschuld über mehrere Jahre bedeutet neben den erheblichen finanziellen Auswirkungen auf alle anderen Erbschaftssteuerzahler vor allem eines: Sie vervielfacht den administrativen Aufwand für Unternehmen, Steuerberater und die Finanzverwaltung. Mein Wunsch an die Referentenrunde ist, auch außerhalb des erteilten Auftrages zu denken und möglicherweise Alternativen zu finden, die Steueraufkommen, Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung in ein angemessenes Verhältnis bringt. Ich höre allgemeine Zustimmung.
Ein kurzer Abstecher zur Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR GMSH. Geschäftsführer Dr. Hans Speck geht in der kommenden Woche in den Ruhestand. An seiner offiziellen Verabschiedung kann ich wegen eines Termins in Berlin nicht teilnehmen. Deshalb möchte ich mich persönlich bei ihm für seine Arbeit bedanken. Er hat die GMSH konzipiert und erfolgreich durch die Klippen der ersten Jahre geführt. Ein Bericht des Landesrechnungshofes stellt ihm ein gutes Zeugnis aus. Alles Gute, lieber Herr Speck.
Staatssekretär Dr. Olaf Bastian kommt mit einem halben Meter Akten für Rücksprachen. Er ist der Amtschef des Finanzministeriums, leitet das Haus nach innen. Personalangelegenheiten, Beschwerden über die Steuerverwaltung, Berichte aus den Abteilungen, Stellungnahmen zu Sachfragen, Tenor zu Kabinettsvorlagen anderer Häuser, Vorbereitung eigener Kabinettsvorlagen; eben alles, was zur Führung eines Ministeriums gehört.
Landeshaus. Raum 249. Sitzungssaal der CDU-Fraktion. Der Vorstand der CDU-Fraktion und die CDU-Mitglieder im Kabinett stimmen ihre Politik aufeinander ab. Kurzfristige Entscheidungen, also die unmittelbar anstehenden Kabinettsentscheidungen werden ebenso behandelt, wie die mittel- und längerfristigen politischen Ziele und deren Umsetzung.
Seehotel Töpferhaus in Alt-Duvenstedt Am See. Wirtschaftspolitische Runde der Studienstiftung der Unternehmensverbände Nord. Eine Traditionsveranstaltung in einem Traditionshaus. Etwa 50 Unternehmer aus allen Wirtschaftsbereichen des Landes sind anwesend. Hier wird Politik diskutiert – nicht über Politik! Ich erläutere die finanzielle Lage des Landes. Offen und schonungslos. Schönreden hat keinen Zweck. Es geht um Zahlen, Daten und Fakten. Da hat Philosophieren keine Chance. Das war der Fehler meiner Vorgänger. Wer immer alles besser darstellt als es ist, darf sich nicht wundern, wenn dann für notwendige gravierende Einschnitte das Verständnis fehlt. Kürzungen bei Kommunen und bei Beamten müssen weitere Ausgabenreduzierungen folgen. In der Sozialpolitik, in der Kultur, bei Vereinen und Verbänden, und auch in der Wirtschaftsförderung. Auch da ist nicht alles sinnvoll und zielführend. Ich spüre die Bereitschaft, den aufgezeigten Weg mitzugehen, mehr noch: ihn aktiv zu unterstützen.
Die Unternehmer machen ihrerseits unmissverständlich deutlich: Vieles von der – seit Antritt der Regierung Peter-Harry Carstensen - guten Entwicklung am Arbeitsmarkt, bei den Investitionen und in der Folge natürlich auch bei den deutlich besseren Steuereinnahmen ist Vorschuss. Vertrauensvorschuss, dass die Erwartungen an die Politik auch erfüllt werden. Dass die notwendigen Reformen, die die Koalitionen in Berlin und Kiel angekündigt haben, auch tatsächlich kommen. Dass der Arbeitsmarkt flexibler gestaltet wird. Dass die sozialen Sicherungssysteme reformiert werden, um Unternehmen und Arbeitnehmer von Beiträgen zu entlasten. Dass die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen im europäischen Vergleich wettbewerbsfähig gestaltet werden. Und einfacher. Wir haben uns verstanden.
Hallo Liebes. Bist Du schon lange da? Eine halbe Stunde – wie war Dein Tag? Ein abwechslungsreicher Tag eines Finanzministers und Abgeordneten, den schönsten Berufen, die es gibt. … Caren Miosga kündigt das Wetter von morgen an. Und so machen wir uns noch eine Flasche Dornfelder vom Weingut Heinrich Groh in Bechtheim auf. Klönen über dies und das. Gegen Viertel nach eins ist der Tag beendet. Gute Nacht.