Mein Büroleiter Walter Lohse schickt mir den Landtags-Pressespiegel per E-Mail. Zusammen mit den regionalen Tageszeitungen habe ich so schon am frühen Morgen einen guten Überblick über das, was an Diskussionen über diese Meldungen den Tag auch beherrschen wird. Nicht immer ist diese Lektüre ein erfreulicher Tagesauftakt - während ich das Frühstück für meine Frau und mich vorbereite.
7.45 Uhr – Abfahrt nach Kiel
9.00 Uhr – Lagebesprechung in der ‚Internen Runde'
Der Ministerpräsident ist mit seiner Staatskanzlei in das ehemalige Landwirtschaftsministerium an der Förde umgezogen. Ich berichte Peter-Harry Carstensen über den derzeitigen Stand für den Jahresabschluss 2011. Es sieht wieder besser aus. Für Deutschland. Und für Schleswig-Holstein. Im Rezessionsjahr 2009 hatten uns die Steuerschätzer jährlich eine Milliarde Euro weniger Steuereinnahmen prognostiziert. Bis 2013 sollten wir insgesamt über vier Milliarden Euro weniger einnehmen als ursprünglich geplant. Erst danach würden wir wieder den Stand des Jahres 2008 erreichen – aber der läge dann Jahre zurück. Nun: Die Einnahmen sind wieder leicht gestiegen. Einige Medien reden und schreiben schon wieder von ‚sprudelnden‘ Einnahmen. Zauberlehrlinge! Für mich zählt, was in der Kasse ist und was realistisch in der Kasse sein wird. Aber wir haben 2011 schon 350 Millionen Euro mehr als in der Krise geplant. Und die Aussichten für 2012 sind auch nicht schlecht. Immer noch 600 Millionen weniger als ursprünglich geplant – aber deutlich mehr als zuletzt befürchtet. Die übrigen Einnahmen gestalten sich überplanmäßig. Und was noch wichtiger ist: Die Ausgaben liegen alle klar im Plan. Strikte Ausgabendisziplin macht‘s möglich.
So werden wir den Jahresfehlbetrag von 2010 von über 1,3 Milliarden Euro im abgelaufenen Jahr auf 660 Millionen Euro halbieren und die Neuverschuldung von über 1,37 Milliarden Euro um mehr als 800 Millionen Euro auf rund 550 Millionen reduzieren. Damit liegen wir deutlich unterhalb unseres selbst gesetzten Konsolidierungspfades – und noch deutlicher unter dem vom Stabilitätsrat vorgegebenen Abbaupfad des strukturellen Defizits.
Und noch schöner: Das operative Ergebnis ist schwarz! Das hat es jedenfalls in den letzten 22 Jahren – weiter als 1990 haben wir die Zahlen nicht zurückverfolgt – nur dreimal gegeben; 2007, 2008 und 2011. Damit ist klargestellt, dass ich in diesen drei Jahren den Haushalt mit einem Überschuss abgeschlossen hätte, wenn die Altschulden meiner Vorgänger mit Zinslasten von fast einer Milliarde Euro nicht wären – und ohne Finanzhilfen von Bund und Ländern und ohne Beteiligungserlöse.
Es gibt schlechtere Nachrichten, die ein Finanzminister seinem Regierungschef überbringen kann. Wir freuen uns darüber. Trotzdem sind wir nicht überschwänglich. Beide wissen, dass diese Nachricht in der Politik und in der Öffentlichkeit neue Begehrlichkeiten wecken kann. Und: Die künftige Einnahmeerwartung sind nur Schätzungen, es ist noch kein Scheck. Deshalb, so erläutere ich meine Absichten, werde ich weiter jeden gegenüber der Planung zusätzlich eingenommenen Euro für die weitere Senkung der Neuverschuldung verwenden. Aus ersparten Ausgaben sollen die wirtschaftliche Infrastruktur weiter ausgebaut werden; notwendige Verkehrswege, schnelle Datennetze, sichere und bezahlbare Energieversorgung. Die Verbesserung der BildungsQualität und die Vereinbarkeit familiärer Pflichten mit beruflichen Aufgaben gehören ebenfalls zu den Schwerpunkten. Mehr ist nicht möglich.
Der Ministerpräsident ist mit meinem Vorgehen einverstanden. Ich werde nacheinander das Kabinett, die Regierungsfraktionen, die Oppositionsfraktionen und die Medien informieren.
Während der Fahrt: Aktenstudium der Vorlagen für die Sitzungen des Finanzplanungsrates, des Bundesrats-Finanzausschusses und der Finanzministerkonferenz.
Im Wagen liegen die ‚Termin-Mappen' für die ersten Termine des heutigen Tages und eine dicke Mappe mit ‚Lese-Akten'. Denn Fahrtzeit ist Arbeitszeit.
In der Hessischen Landesvertretung In den Ministergärten in Berlin treffen sich die Finanzminister der B-Länder zur Vorbesprechung der Sitzung des Stabiliutätsrates.
Wir erörtern den von unseren Finanzreferenten vorbereiteten und mit den A-Ländern und dem Bund ‚im Grundsatz' abgestimmten Entwurf einer Einvernehmlichen Erklärung zur Finanz- und Haushaltslage. Der Entwurf dazu stammt aus meinem Haus.
Berlin, Wilhelmstraße 67. Er ist nicht schön, aber hoch und lang, der EURO-Saal. Hier tagt zweimal im Jahr der Finanzplanungsrat.
Die Tagesordnung umfasst zwölf Punkte. Zunächst die Berichte zur wirtschafts- und finanzpolitischen Lage. Bundesfinanzminister. (Hans Eichel und später Peer Steinbrück haben regelmäßig ihr Lieblingsthema ‚Bundessteuerverwaltung' angesprochen. Wolfgang Schäuble lässt sich nicht auf diese Diskussion ein.) Bundeswirtschaftsminister. Bundesbank. Freundliche Diskussion. Das Thema Bundessteuerverwaltung haben wir – die Länderfinanzminister – in der folgenden Diskussion einfach nicht mehr angesprochen; frei nach Bauer Piepenbrink (Günther Willumeit): "Im Grunde genommen gar nicht ignorieren." Da würde sich jeder Bundesfinanzminister die Zähne ausbeißen. Dass eine zentralistische Bundesverwaltung mit mehr als 140.000 Mitarbeitern nicht effektiver arbeiten kann als dezentral geführte Landessteuerverwaltungen haben wir am Beispiel der Bundesarbeitsverwaltung zur Genüge kennen gelernt.
Wir sprechen über die Aufgaben des Stabilitätsrates, der ähnlich wie bei Maastricht über die Einhaltung von Verschuldungsregeln wachen soll. Es ist ein erster Durchgang. Ich äußere mich kritisch zu Vorschlägen zur ‚Früherkennung von Haushaltsnotlagen'. Wer, so führe ich aus, wie Schleswig-Holstein und andere Länder seit mehr als zehn Jahren verfassungswidrige Haushalte abliefert, sollte eher die Stöpsel aus den Ohren nehmen, um die Signale nicht mehr zu überhören als über Früherkennung zu philosophieren. Und nach meiner Meinung sind noch einige Länder in ähnlicher Situation oder Gefahr. Wir brauchen vielmehr den entschiedenen Willen, die Hauptursache unserer Finanzprobleme zielstrebig anzugehen: die Altschulden. Sie müssen abgebaut werden. Zugleich müssen wir die strukturellen Benachteiligungen einiger Länder ausgleichen. Dann können wir eine beinharte Schuldengrenze einziehen. Und schließlich müssen wir das alles durch ein autorisiertes Gremium überwachen. Es ist ein erstes Abtasten der Meinungen.
Schließlich – und das ist schon ein Fortschritt gegenüber früheren Jahren – verabschieden wir nach einigen wenigen redaktionellen Korrekturen die Einvernehmliche Erklärung zur Finanzlage bei Bund, Ländern und Gemeinden.
Der Hamburgische Finanzsenator hat in die Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund eingeladen. Natürlich gibt es A- und B-Kamine. Aber dies ist ein gemeinsamer Kaminabend. Hier wird bei einem Abendessen ‚ohne Block und Bleistift' miteinander über anstehende Finanzthemen geredet. Es geht darum, den möglichen Korridor auszuloten, in dem eine Einigung über ein streitiges Thema erzielt werden kann. Wo sind die Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn man eine Lösung will?
Sie möchten gerne mehr über den Inhalt der Gespräche am Kamin wissen? Da sie ohne Block und Bleistift stattfinden, habe ich leider keine Aufzeichnungen darüber. Und erinnern kann ich mich auch nicht mehr.
Die Tagesthemen sind schon vorbei. Das von Caren Miosga angekündigte Wetter auch. Gute Nacht.